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Exposé
In meinem Buch „BruderLos“ (240 Seiten) geht es im Kern um eine Erbstreitigkeit zwischen zwei Brüdern nach dem Tod der gemeinsamen Mutter. Einer der beiden Protagonisten beschreibt in Einzelheiten seine Sicht der Dinge und die aktuell empfindlich gestörte Beziehung zum anderen.
Neben der Beschreibung der faktischen Komponenten, die sich im weiteren Verlauf immer verworrener entwickeln, tauchen daneben Erinnerungen auf, die weit zurückgehen. Erinnerungen über prägende Ereignisse, über Familiengeheimnisse und dunkle, nie verbalisierte soziale Strukturen und Stellungen einer nach außen intakt wirkenden Akademikerfamilie.
Während der eskalierte Erbkrieg zunächst auf anwaltlicher Seite Fahrt aufnimmt, ist andererseits direkte Kommunikation unmöglich geworden und die Hauptfigur auf eigene Erinnerungen und Erlebnisse angewiesen, um die verworrene Geschichte zu verstehen.
Sind die Ersparnisse der Mutter – immerhin 120.000,- Euro – zu Lebzeiten verschenkt oder nur geliehen, gehören sie zum Nachlass oder nicht? Um diese Frage entbrennt der Streit zwischen den Brüdern und geht vor Gericht.
Dazu gesellt sich noch die Erbin des inzwischen auch verstorbenen Ehemanns der Mutter. Sie habe ebenfalls von einem Sparbuch gehört, das sträflicherweise nicht in die Erbmasse gerechnet wurde und leitet ihrerseits ein weiteres Gerichtsverfahren ein.
Unvorteilhaft ist zudem, dass einer der beiden Brüder seit fast zwanzig Jahren in Südamerika lebt und der Erzähler „gemeinschaftlich haftend“ allein verklagt wird.
Interessant ist bei diesem Roman, dass die Hauptfigur bei den niederschmetternden Wahrheiten, die sich erst nach dem Tod der Mutter zeigen, nicht in die Knie geht, sondern die verschiedensten kreativen Lösungsideen verfolgt und am Ende gewinnt.
In der Erzählung beschreibt die Hauptfigur in der Ich-Perspektive eine gründliche Recherche, um die betrügerischen Bestrebungen seines Bruders aufzudecken. Dabei werden alle relevanten Beziehungen der Ursprungsfamilie genau, untersucht, durchleuchtet und Verschollenes wiederentdeckt.
Überall zeigen sich plötzlich Parallelen aus der Vergangenheit, die bis ins Heute wirken. Und jede Besonderheit war damals schon spürbar.
Neben der (Ent) täuschung die sich aktuell vollzieht, erschließt sich auch gleichzeitig eine beruhigende Wahrheit ohne Erwartungen, ohne immer wieder aufflammendem Schmerz oder Wut, aber auch ohne Beziehung.
Erst jetzt nach dem Tod der Mutter ergibt sich die Gelegenheit, die eigene Ursprungsfamilie genauer anzuschauen, als je zuvor. Und schnell zeigen sich neben den guten Erinnerungen auch die Dinge, die bisher erfolgreich verdrängt, zum Glück vergessen wurden, so bizarr und schmerzhaft, als würden die verdrängten Verletzungen jetzt gerade erlebt.
Die eigene Wahrnehmung letztlich entscheidet, wie Erlebnisse, positive wie negative, am Ende verbucht und abgespeichert werden. Erklärungen und Wahrheiten, die sich erst ergeben, nachdem die Mutter verstarb, sind nicht mehr verifizierbar und daher bleibt nichts anderes, als diese so zu nehmen, wie sie sind.
Velleicht geht es bei der Liebe auch nicht darum, was man bekommt, sondern dass man gibt, was man hat. Auch wenn es wenig ist. Und das kann man nahezu jedem menschlichen Wesen dieser Welt unterstellen. Wir sind eben alle eins. Das ist doch was.